Alt In Berlin
Alter hat viele Gesichter, Lebensformen und Möglichkeiten in Berlin,
dieser Ansammlung sehr unterschiedlicher Großstädte.
Wenn überhaupt, wird Alter öffentlich eher einseitig wahrgenommen
als defizitär, problematisch, mühselig und kostenträchtig.
Perspektivwechsel lohnen,
genau hinschauen, querdenken, nachfragen,
und manchmal hilft nur Gelächter.
dieser Ansammlung sehr unterschiedlicher Großstädte.
Wenn überhaupt, wird Alter öffentlich eher einseitig wahrgenommen
als defizitär, problematisch, mühselig und kostenträchtig.
Perspektivwechsel lohnen,
genau hinschauen, querdenken, nachfragen,
und manchmal hilft nur Gelächter.
Es hat auch Vorteile, einer ebenso zahlreichen, wie weitgehend ignorierten Bevölkerungsgruppe anzugehören. Die jenseits des Erwerbslebens Existierenden können sich so in all ihrer Vielfalt austoben, ohne dass es Shitstorms oder andere weithin sichtbare Unannehmlichkeiten auslösen würde. Wenigstens, solange die gesellschaftlichen Kosten sich in Grenzen halten. Diese „Restlebenszeit“ nach eigenem Gutdünken zu verbringen ist der Luxus des Alters, sofern man ihn sich leisten kann. Allen Schreckensmeldungen zum Trotz funktioniert das für die Mehrheit der über 65-Jährigen in Deutschland. Sie können sich das bis zu ihrem Lebensende einigermaßen autonom erhalten. Eingeschränkt wird die Autonomie aber durch einseitige Altersbilder und gesellschaftliche Ignoranz. Um das sichtbar zu machen und zu verändern, haben in Berlin kluge alte Menschen in jahrzehntelangem beharrlichem Verhandeln 2006 das Seniorenmitwirkungsgesetz erstritten. In den vergangenen 11 Jahren wurde es dreimal novelliert. Doch ein Konflikt, der von Anfang an darin enthalten war, wurde bis heute nicht beseitigt: Das Gesetz definiert zwei Arten von Seniorenvertretung auf Landesebene mit überschneidenden Aufgabenfeldern. Die eine ist die Landesseniorenvertretung Berlin (LSVB), die aus den 12 Vorsitzenden der gewählten und bestellten, ehrenamtlich tätigen, bezirklichen Seniorenvertretungen besteht. Laut Gesetz unterstützt die LSVB "die Arbeit der bezirklichen Seniorenvertretungen und vertritt deren Interessen auf Landesebene". Die andere heißt Landesseniorenbeirat Berlin (LSBB), besteht aus den zwölf Vorsitzenden der bezirklichen Seniorenvertretungen (also der LSVB) und bisher zwölf, nun 13 Vertreter*innen von Verbänden der Seniorenarbeit. Der LSBB soll laut Gesetz Abgeordnetenhaus und Senat in seniorenpolitischen Fragen beraten. Warum es zwei sein mussten, ist angesichts der Überschneidungen kaum verständlich. Folgerichtig schien die Kooperation von LSV und LSBB auch mit gemeinsamer Geschäftsstelle in den letzten zehn Jahren nicht besonders harmonisch und gleichzeitig einigermaßen schwerfällig. Die letzten Wahlen haben Veränderungen möglich gemacht. Für einen Augenblick war es spannend sich auszumalen, was sich dort entwickeln könnte. Was geschah, lag jenseits der Erwartungen. Ende März 2017 fanden die Wahlen der bezirklichen Seniorenvertretungen statt. Nachdem alle durch ihre zuständigen Stadträte bestellt worden waren, konnte sich im Mai die Landesseniorenvertretung konstituieren. Laut Homepage fand man sich am 19.5. auf Einladung der zuständigen Senatorin Elke Breitenbach erstmalig zusammen und wählte den neuen Vorstand. Die Senatorin stellte bei diesem Anlass fest: „Die Landesseniorenvertretung ist eine starke Stimme für die Interessen der Berliner Seniorinnen und Senioren. Vor der Landesseniorenvertretung und dem Senat liegen wichtige Aufgaben: Wohnen im Alter, Treffpunkte im Kiez, gute Gesundheits- und Pflegeangebote.“ Warum schreibt Frau Breitenbach der Landesseniorenvertretung hier Aufgaben des Landesseniorenbeirates zu? Natürlich sind es auch die Interessen der bezirklichen Seniorenvertretungen, deren Arbeitsbedingungen, Akzeptanz und Unterstützung von Bezirk zu Bezirk je nach örtlicher politischer Prioritätensetzung höchst unterschiedlich und auf Landesebene oft nicht einmal im Detail bekannt sind. Selbst untereinander mochten sie das in den letzten fünf Jahren selten offen diskutieren. Aus Sorge, dass Bezirkspolitiker und -Verwaltungen am Ende allen den niedrigsten Standard für ihre Arbeitsbedingungen bescheren würden. In einem ebenso bemerkenswerten wie grotesken Wahlverfahren wurde einige Tage später der Vorstand des Landesseniorenbeirates gewählt. Vorsitzende wurde nach drei Pattwahlgängen infolge des Verzichtes der zweiten Kandidatin auf die Teilnahme an einem vierten Wahlgang dann endlich mit absoluter Mehrheit eine Verbandsvertreterin. Nach eigener Erklärung verfügt sie über viel Enthusiasmus, aber kaum Kenntnis von Struktur, Aufgaben und Arbeitsweise der Berliner Seniorenmitwirkungsgremien. Zwei weitere der insgesamt fünf Vorstandsmitglieder wurden in ihren Funktionen als Stellvertreterin und Finanzverantwortlicher bestätigt. Wie schon in der Vorwoche bei der Vorstandswahl für die Landesseniorenvertretung wurde auch im LSBB-Vorstand die Schriftführung nicht besetzt, da niemand sich dazu bereit erklärte. Die Vorsitzende der LSVB, Dr. Hambach, ist qua Gesetz Mitglied auch dieses Vorstandes und somit dort die einzige Seniorenvertreterin unter lauter Verbandsvertreter*innen. Der neue Landesseniorenbeirat mit Frau Senatorin Elke Breitenbach Foto LR 24.5.2017 Erst fünf Tage danach gab die zuständige Senatsverwaltung eine Pressemitteilung zur Konstituierung des LSBB und der Wahl seines Vorstandes heraus. Darin verweist die Senatorin auf die bevorstehende Zusammenarbeit: „ In den kommenden Jahren wird sich der Berliner Senat mit den Seniorenmitwirkungsgremien gemeinsam um ein soziales Berlin kümmern“.
Wer ist nun wofür zuständig? Noch gilt das gerade novellierte Mitwirkungsgesetz mit seinen Aufgabenzuordnungen für die beiden Gremien. Will die Senatorin das Gesetz klammheimlich außer Kraft setzen und der LSVB die Aufgaben des LSBB zugestehen? Dessen Vorstand dürfte auf längere Zeit nicht handlungsfähig sein, hat doch die neue Vorsitzende nach ihrer Wahl verkündet, nun erst einmal in Urlaub zu gehen. Außer der Vorsitzenden der Landesseniorenvertretung gehören alle weiteren Vorstandsmitglieder Verbänden an. Angesichts der Mehrheitsverhältnisse stellt sich die Frage wessen Interessen sie dort wie vertreten können wird. Könnte sie es schaffen, in solcher Konstellation den LSBB überflüssig zu machen und die LSVB zum allein handelnden Seniorengremium der Stadt zu ermächtigen? Eine solche Aufgabenübernahme könnte trotz Geschäftsstelle eine Überforderung des LSVB darstellen, sind doch seine durchweg ehrenamtlichen Mitglieder zu einem großen Anteil neu im Amt und alle mit der Teambildung und Aufgabenfindung in ihren Bezirken beschäftigt. Abgesehen von den Vorsitzendenfunktionen war das Interesse der Seniorenvertreter*innen an der Arbeit auf Landesebene eher mäßig. Bei beiden Gremien gelang es nicht, im ersten Anlauf auch die Position der Schriftführung zu besetzen, die per se mit Arbeit verbunden ist. Thematische Arbeitsgruppen, wie sie der alte LSBB für die Sacharbeit hatte, sind ohne das Fachwissen und Arbeitspotenzial der professionell arbeitenden Verbändevertreter vermutlich ebenfalls schwer zu organisieren. Angesichts dessen scheint r2g viel Luft und schwache Gegenüber zu haben für die Umsetzung ihrer in der Koalitionsvereinbarung genannten vielfältigen seniorenpolitischen Ziele. Und es bleibt spannend, wer am Ende was erreichen kann im Interesse der Berliner Senior*innen.
0 Kommentare
|
Zur Bearbeitung hier klickenArchive
Juni 2019
Kategorien |