Alt In Berlin
Alter hat viele Gesichter, Lebensformen und Möglichkeiten in Berlin,
dieser Ansammlung sehr unterschiedlicher Großstädte.
Wenn überhaupt, wird Alter öffentlich eher einseitig wahrgenommen
als defizitär, problematisch, mühselig und kostenträchtig.
Perspektivwechsel lohnen,
genau hinschauen, querdenken, nachfragen,
und manchmal hilft nur Gelächter.
dieser Ansammlung sehr unterschiedlicher Großstädte.
Wenn überhaupt, wird Alter öffentlich eher einseitig wahrgenommen
als defizitär, problematisch, mühselig und kostenträchtig.
Perspektivwechsel lohnen,
genau hinschauen, querdenken, nachfragen,
und manchmal hilft nur Gelächter.
Gelogen wurde schon immer und überall. Nie hat es ein Zeitalter in der menschlichen Geschichte gegeben, wo nicht die jeweiligen Mittel und Möglichkeiten genutzt wurden, Menschen zu manipulieren durch die Verbreitung von Gerüchten, Halbwahrheiten, zweckdienlichen Deutungen bis hin zu nackten Lügen und dem wegweisenden Fingerzeig auf den "Anderen", DEN LÜGNER. Hunderte von Geschichten über die Manipulation öffentlicher Meinung zum Nutzen Mächtiger mit den schrecklichsten Folgen können uns die Historiker vom Altertum bis heute berichten. Wieso wird ausgerechnet jetzt das Zeitalter des Lügens deklariert? Warum wird diese Deklaration so einhellig von anscheinend ernst zu nehmenden Wissenschaftler*innen und Autor*innen, ja, sogar von solchen Institutionen übernommen und legitimiert, die sich mit Worten und Begriffen auseinandersetzen? Vor kurzem wurde das englische „post-truth“ zum „International Word of the Year 2016" gekürt. In politischen und gesellschaftlichen Diskussionen gehe es zunehmend um Emotionen anstelle von Fakten, erklärte nun auch die Gesellschaft für deutsche Sprache und ernannte das frei übersetzte „postfaktisch“ als Wort des Jahres 2016. Das Wictionary unterlegt „postfaktisch“ mit der Bedeutung: „auf Gefühlen, nicht auf Tatsachen beruhend“, benennt als Synonyme „gefühlsmäßig, populistisch, unsachlich“ und als Gegenwörter „faktisch, auf Fakten beruhend“. Da werden Lügen zu Gefühlen und Wahrheiten zu Fakten. Welche Fakten? Wie oft ist es schon geschehen, dass die andauernde massenhafte Wiederholung von immer derselben Lüge durch „Autoritäten“ folgenreich Glaubwürdigkeit gewann? Seit über 30 Jahren beobachten seriöse Wissenschaftler weltweit, dass der Mensch das Klima dieser Erde unumkehrbar verändert. Vor 25 Jahren hörte ich einen Bericht im Radio, dass wir die von den Emissionen dieser Zeit ausgelösten Klimaveränderungen aufgrund der Trägheit des Systems Erde etwa 30 Jahre später spüren würden. Heute saufen ganze Inselgruppen ab, weil der Meeresspiegel steigt, der Nordpol droht eisfrei zu werden. Fast jedes Jahr ist die Jahresmitteltemperatur höher als die des Vorjahres und ein demokratisch gewählter Präsident kann den Klimawandel als chinesische Lüge seinen Wählern glaubwürdig verkaufen. Fakt ist, dass diese in sich verlogene Wortblase „postfaktisch“ mitsamt ihrer irreführenden Deutung tatsächlich Gefühle bei mir auslöst und zwar ziemlich heftige. Ich fühle mich nicht ernst genommen, veralbert, absichtsvoll belogen und schließlich einigermaßen verärgert. Und die Märchenerzählerin sieht die modernisierte Neuauflage von „Des Kaisers neue Kleider“. Was immer wichtige Menschen in den Tagen nach der Kür dieses schillernden Begriffes von sich gegeben haben, erklärt Lüge zum Schicksal, verstellt klare Blicke auf Ursachen und führt von diffusen Warnungen, „Gefahren ernst zu nehmen und Vorkehrungen zu treffen“ über die Sehnsucht nach der „letzten Guerillawaffe …, der Nostalgie“ bis hin zu den üblichen absurden Verbotsforderungen. Postfaktisch verlogen wird den Konsument*innen von Massenmedien der Eindruck vermittelt, dass Gefühlen per se nicht zu trauen sei, weil sie zu irrationalen Reaktionen führten. Wie zum Beispiel der Wahl eines Donald Trump, der bei genauem Hinsehen die Lüge als Person verkörpert. Der in höchstem Maße Repräsentant eines verlogenen Etablishments ist, machtgeil, gierig, menschenverachtend. Einer, der verkörpert, das er zu bekämpfen vorgibt, wohl wissend, dass er einzig den Interessen einer kleinen Gruppe folgt. Der Geldelite, die die Macht des Geldes nutzt, um die regulierende Wirkung demokratischer Regierungen abzuschaffen und für ihren kurzfristigen Profit das Bild unseres Planeten nachhaltig verändern will (Dark Money, Jane Meyer). Eine Wahl, deren irrationaler Erfolg der gezielten Manipulation von Wähler*innen, abgestimmt auf ihre jeweiligen und spezifischen Haltungen, Ängste und Bedürfnisse über Big Data zugeschrieben wird. Postfaktisch naiv wird aber auch angenommen, dass der klare Menschenverstand und die persönliche Entscheidungsfreiheit Einzelner genügen könne, der Manipulation durch Fakemeldungen in „sozialen“ Medien wirksam zu widerstehen. Ausgeblendet werden die Entwicklungen im Mediensektor, die zunehmend gründliche Faktenrecherchen verhindern mit der Notwendigkeit schneller Wirksamkeit von Meldungen und miserabler Zeilenhonorare. Die Oberflächlichkeit, Einseitigkeit, die unreflektierte Wiedergabe weißer Lügen wird damit ebenso befördert, wie grobe Fälschung mit ungeheuerlichen, total unberechenbaren Folgen (z.B. „Pizza Gate“). Ein Teufelskreis, großartig verstärkt durch die Hinweise auf die „Anderen“, z.B. den deklarierten neuen alten Feind. So sollen es die Russen sein, die hacken und gezielt Halbwahrheiten leaken, und es ist „der Populismus als Folge einer 15jährigen Sozialisation der Bevölkerung durch Online-Shopping“. What the f...! Angst und das Gefühl von Hilflosigkeit, der Ärger, belogen zu werden, sind starke Gefühle, die Menschen anfällig machen für gezielte Manipulation ihrer Entscheidungen. Wie gesagt, gelogen wird schon immer und Menschen, die durch die politischen Lügen und verlogenen Euphemismen auch der letzten Jahrzehnte betroffen sind, kann man allerorten finden. Vom konstanten Weiter-So ist alltäglich in den Zeitungen zu lesen. Wissenschaft hat ihre eigene Sprache, davon kann auch die Laiin Lieder singen. Ein geschmeidiges Fremdwort für eine simple Sache verleiht einer absurden Behauptung Gewicht und Glaubwürdigkeit. Da wird dann ein „Fakt“ kreiiert. Das wird vollends ver-rückt, wenn die Kreation aus dem Englischen übersetzt wird. Was kommt denn nach der Wahrheit - post truth? Die wörtliche Übersetzung wäre zu plump, zu durchsichtig. Und so applaudiert die deutsche wissenschaftliche Gemeinschaft hingerissen und wiederholt andächtig den schönen neuen Begriff, reflektiert und interpretiert neu und phantasievoll aus vielen Perspektiven. Nur geradeaus mögen anscheinend wenige denken – zu einfach, zu schade um eine schöne neue schillernde Vokabel. Postfaktisch. Auch hier in Deutschland greift die in den USA seit Jahren immer stärker angewandte Praxis um sich, immer zwei – gegensätzliche – Meinungen zu einem Phänomen gleichrangig nebeneinander zu stellen. Aktualitätszwang und Zeitdruck verbieten dann oft genug die gründliche Prüfung von Quellen, dann stehen seriöse Forschungergebnisse gleichberechtigt neben gefälschten. Wenn mir jemand, dem ich aufgrund meiner Erfahrungen glaube, vertrauen zu können, eine von ihm zertifizierte Münze in die Hand drückt, deren eine Seite das durch gründliche Recherche objektiver Quellen aus Wissenschaft und Forschung geprägte Bild enthält und auf dessen anderer Seite im Namen der Meinungsfreiheit ein gefälschtes, durch gefälschte Studien aufgebautes Image steht – was geschieht, wenn mein so irritierter Verstand und mein betrogenes Gefühl mich dazu anhält, die Münze zu werfen? Aufgrund dessen, was sich mir dann zeigt, zu reagieren? Ich bin ein Produkt des postfaktischen Schulsystems der DDR der frühen Jahre. Da mein Vater Rundfunkmechaniker war und ich zwar in Sachsen, aber nicht im „Land der blinden Augen“ aufwuchs, hörte ich die postfaktischen Gewissheiten der DDR im Unterricht, der ja in jedem Fach den Bezug auf „unsere Gegenwart“ herstellen sollte, sowie in Zeitungen und Fernsehsendungen. Zusätzlich vernahm ich (Post)Fakten der BRD auf dem Fernsehschirm und im Radio. Geradezu grotesk erschienen da die Interpretatoren der jeweiligen Gegenseite – des Schwarzen Kanals des Karl Eduard von Schnitzler und des ZDF-Magazins des Gerhard Löwenthal. Was mir in diesen bunten Mischungen zweckdienlicher Halbwahrheiten, tendenziöser Behauptungen, Interpretationen, Fakten und Bilder neben den eigenen Alltagserfahrungen einigermaßen hilfreich war, kam aus dem Unterricht, den mir dieses Schulsystem angedeihen ließ. Es war die dialektische Frage: „wem nutzt es?“
Ich habe einen Wunsch an die Jury der „Sprachkritischen Aktion: UNWORT DES JAHRES“: Bitte scheuen Sie nicht den erneuten Konflikt mit der Gesellschaft für deutsche Sprache! Bitte wählen Sie „postfaktisch“ als Unwort des Jahres 2016, weil es euphemistisch, verschleiernd und irreführend ist, weil es hilft, machtvoll propagierte (politische) Lügen als „Gefühle“ zu maskieren, das Geschehen als schicksalhaft und unwiderstehlich darstellt und damit selbst wirksames Instrument der verlogenen Manipulationen öffentlicher Meinung ist. Das könnte hilfreich sein.
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Juni 2019
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